Deutsche Crosslauf-Meisterschaft Ingolstadt: Bericht von Anton Lautner als Teilnehmer; Nachlese

Der letzte Mohikaner
09.03.2019
Vor fast genau zehn Jahren fanden in Ingolstadt schon auf dem gleichen Gelände im Hindenburg Deutsche Meisterschaften im Crosslauf statt. Damals fragte ich den Leiter Herold Demel, ob hier wieder mal Meisterschaften stattfinden sollten. Der winkte ab, „zu viel Arbeit“. „Lasst einfach etwas Gras über die Sache wachsen“, mein Ratschlag. Der Ministerpräsident, seinerzeit Horst Seehofer, dabei zuhörend, lachte und sagte: „Das ist gut.“ Ja und nun ist es soweit, die DM im Cross wurde nach Ingolstadt vergeben und ich stehe wieder in der Startliste.
Ingolstadt als Großstadt in Deutschland liegt an der Donau und hat heute rund 135000 Einwohner. Vor zehn Jahren waren es 10000 Leute weniger, das beweist einen hohen Zuzug in die Stadt. Was mir natürlich runter geht wie Öl, hier und nirgends anderswo wurde 1516 das bayerische Reinheitsgebot für Bier erlassen. Daneben war die 1200 Jahre alte Stadt für gut 400 Jahre bayerische Landesfestung. Herzog Wilhelm IV baute im 16. Jahrhundert den Kreuzungspunkt und den Donauübergang zwischen den Verbindungen Ulm nach Regensburg und Nürnberg/Amberg nach München/Augsburg als Landesfestung aus. Dieser Umstand brachte der Stadt den Namen „die Schanz“ und so nennen sich heute noch die Einwohner gerne als „die Schanzer“.
Wirtschaftlich steht die Region (noch) gut da, denn der Autobauer mit den vier Ringen und mit seinen Zulieferern sorgt für gutes Auskommen, auch wenn es jetzt im Moment etwas im Getriebe hakelt. Oder muss ich besser sagen, der Motor hat Aussetzer?
Was mich zum Cross verschlagen hat? Nun, wir Läufer sollten nicht nur geradeaus laufen, wenn möglich eben, ohne Kurve, ohne Wind, vielleicht nur noch bergab, nein, wir sollten auch mal die bequemen Laufwege verlassen und ins Gelände gehen, auf der Tartanbahn einen Wettkampf herunterreißen und auch vor einem Berglauf nicht zurückschrecken. Wer dies beherzigt, der wird feststellen, dass es gut für die Kondition, für die Wettkampfhärte, für den Willen und für die Koordination ist. Und Spaß machen tut das bestimmt auch.
Ach ja, für Meisterschaften ist Mitgliedschaft in einem dem DLV angeschlossenen Verein Voraussetzung und der Sportler muss einen Startpass besitzen. Das ist aber nicht schwierig zu bewerkstelligen. Für einen normalen Cross braucht es das aber nicht. Die Infrastruktur und die Organisation sind bestens. So hat der MTV Ingolstadt mit der Organisationschefin Miriam Kleinhans und den über 100 Helfern beste Arbeit geleistet. Alles ist fußläufig schnell zu erreichen, sei es Startnummernausgabe, Umkleiden, Duschen, Wettkampfstrecke und Bühne für die Ehrungen.
Die Strecke ist nach dem Winter gut abgetrocknet und präsentiert sich in einem hervorragenden Zustand. Als ich mich Richtung Startgelände begebe, geht gerade nach einer Eröffnungsfeier das erste Rennen der Senioren M60+ und Seniorinnen W50+ auf den Kurs. Ich sehe noch Ingolstadts OB Dr. Christian Lösel im Startbereich stehen.
Insgesamt werden bei elf Rennen die Deutschen Meistertitel vergeben. Für die Jugend werden zu Beginn zwei Rahmenläufe veranstaltet. Zu laufen sind dann für die Senioren (ab M40 bzw. W35) jeweils 5,1 Kilometer bzw. 6,1 Kilometer. Für die Jugendlichen ist die Strecke kürzer. Interessant dürften dann die Mittelstrecke der 150 gemeldeten Männer über 4,1 Kilometer sowie die beiden Hauptläufe der Frauen und der Männer Langstrecke werden. Wie schaut denn die Strecke aus? Es ist ein Rundkurs von rund 1000 Meter mit einem Zubringer vom Start und zum Ziel von je 100 Meter. Die Runde verläuft dann mit drei Steigungen und zwei künstlichen Hindernissen und vielen Kurven und Richtungswechseln so, wie sich ein Crosser das wünscht. Also ohne Langweile und mit viel Abwechslung. Für die Zuschauer ist der Kurs optimal, denn das Geläuf ist fast komplett einsehbar und man kann seinen Schützling pro Runde mehrmals ansprechen und zur Not auch in den A… treten.
Wie es mir ergeht? Nun, drei Wochen zuvor war ich, quasi als Vorbereitung, bei der Oberbayerischen Crossmeisterschaft vertreten und da war das Geläuf vergleichbar zu dem wie heute, also auch mehrere kleine Wellen und viele Richtungswechsel. Heute habe ich mir als Ziel parat gelegt, dass ich in meiner Klasse nicht Letzter werden will. Vielleicht so wie 2009, als ich noch drei, vier Konkurrenten hinter mir lassen konnte.
Das gelingt mir heute ganz gut, da kurz nach dem Start an der ersten Steigung ich zwar hinten, aber doch nicht ganz Letzter bin. Nur trödeln darf ich nicht, und eine Kamera habe ich auch nicht dabei. Die erste Runde gehe ich dann zu schnell an, hoffentlich nicht zu flott. Ich vertraue darauf, dass auch unter den Läufern in meiner Klasse der eine oder andere zu schnell begonnen hat. Aber die Vorzeichen sind nicht gut. Denn mein Freund Jörg Behrendt, ähnlich stark wie ich, macht sich nach vorne vom Acker und ich falle fast auf den letzten Platz zurück. Die erste Runde legen wir etwa in 4.45 Minuten zurück. An einer Uhr im Zielbereich kannst du die Zeit ablesen und die Restrunden werden auch angezeigt.
Zu Beginn von Runde zwei sehe ich Xaver Habermeier von der Neuburger Rundschau, auf der Lauer auf dem ersten Hügel liegend, nach interessanten Motiven Ausschau haltend. Vor meinen Start wollte er noch einige Eindrücke von mir, wie meine Vorbereitung verlief und welche Taktik ich anstrebe. „Einfach überleben“, gab ich als Devise aus.
So vergeht eine Runde nach der anderen. Mir gelingt es sogar, den einen oder anderen Gegner einzusammeln. Einer verlässt am Hetschenweiher den Laufkurs in Richtung eines Spazierweges und bemerkt seinen Irrweg erst auf meinen Zuruf. Ich lasse den zurück. Und auf Jörg kann ich wieder auflaufen und ihn sogar hinter mir lassen. Die ersten drei Runden laufe ich in 14.40 Minuten. Ich weiß noch, dass der Folgelauf genau 30 Minuten nach unserem Lauf gestartet wird und wir bis dahin im Ziel sein müssen. Wird diese Regel streng gehandhabt oder können wir mit Sekundenverspätung noch einlaufen? Das ist eine Frage, die mich im Rennen beschäftigt. Es wird knapp werden, das ist mir jetzt schon klar.
Eine lustige Episode geschah bei meinem ersten Crosslauf, auch hier in Ingolstadt. Vor rund 25 Jahren hatten die fünf, sechs nach mir Laufenden die Schnauze gestrichen voll und kapitulierten. Ich hatte es jedoch bemerkt und lief mein Rennen sturschädelig zu Ende. So wurde ich damals Letzter.
In der vierten Runde kommen dann die Führenden von hinten heran. Ich habe mit den Überholmanövern schon früher gerechnet. So scheint es mir, dass ich doch nicht so langsam unterwegs bin. Doch die Zwischenzeiten pegeln sich auf knapp fünf Minuten pro Runde ein. Letzte Runde, ich bin allein, noch mal Dampf machen und die eine oder andere Sekunde gutmachen.
Dann die lange ebene Zielgerade, auf der zwei Hindernisse von einen knappen halben Meter Höhe den Rhythmus brechen sollen, ich ziehe den Schritt lange. Und dann sehe ich fünfzig Meter einen Helfer auf dem Kurs mit ausgebreiteten Armen. Will der mich aufhalten? Scheiße. Ich glaube, da laufe ich an dem vorbei. Nur Sekunde später höre ich vom Moderator „Start in einer Minute“. Da lässt mich der Helfer noch in den Zielkanal passieren mit einem „Lauf schnell“. Unter dem Transparent springe ich durch, die Zeit ist Nebensache und vom Zeitnehmer kommt ein „der letzte Läufer“. Sekunden danach startet der nächste Lauf. Ähnlich knapp mit dem Zieleinlauf erging es mir beim glacier3000marathon in Gstaad, da war ich der Letzte im Ziel und der Letzte, der beim dritten Cutoff noch im Zeitlimit durchschlüpen konnte. Wer die Geschichte lesen will, hier geht es lang: https://www.marathon4you.de/laufberichte/glacier-3000-run/auf-messers-schneide/3429
Schade für die drei, vier hinter mir Liegenden, die werden aus dem Rennen genommen und sind nur einige Sekunden zu spät. Darunter auch Jörg. Der hat recherchiert, dass die Sollzeit für unsere Klasse verschärft wurde. Zwar um nur fünf Minuten, aber die sind entscheidend. Das ist doch schade, wenn Läufer aus weiter Entfernung anreisen und dann nicht finishen können. Da sollte man beim Verband doch nachdenken. In der Liste stehe ich dann als Letzter auf Rang 25 in 30.11 Minuten für 6,1 Kilometer, so bin ich der letzte Mohikaner geworden.
Bei den restlichen Rennen bin ich dann aufmerksamer Beobachter. Interessant, wie sich die Jugendlichen verausgaben können und dann im Zielbereich herumhängen, bis sie wieder zu Luft kommen. Die Männerlangstrecke ist allererste Sahne. An der Spitze ein Trio, das sich schon frühzeitig vom Rest lösen kann. Amala Petros, stets um das Tempo besorgt und voran, Richard Ringer und Samuel Fitwi. Letzterer fiel zu Beginn der letzten Runde einer Tempoverschärfung zum Opfer und dann im langen Zielsprint Amala Petros. Richard Ringer gelang auf den letzten Metern vorbeizukommen und mit hauchdünnem Vorsprung die Langstrecke für sich zu entscheiden. Novum: Er war der erste in der Geschichte der Deutschen Crossmeisterschaft, der Mittel- und Langstrecke gewinnt. Das gab es bisher nie.
Ja, und wer jetzt mal in einen Cross hineinschnuppern möchte, der Laufkalender wird im Herbst 2019 oder Winter 2020 wieder einige Möglichkeiten bieten. Schaut einfach in den Laufkalender.
Einige Bilder sind von Jörg Behrendt und Xaver Habermeier, vielen Dank dafür.
Anton Lautner
Pressespiegel
Neuburger Rundschau: https://www.augsburger-allgemeine.de/neuburg/sport/Anton-Lautner-haelt-die-TSV-Fahnen-hoch-id53744406.html
Donaukurier: https://www.donaukurier.de/sport/lokalsport/ingolstadt/Premiere-im-Hindenburgpark;art1721,4109001 und https://www.donaukurier.de/sport/lokalsport/riedenburg/Premiere-im-Ingolstaedter-Hindenburgpark;art1724,4110859
Bayerischer Leichtathletikverband: https://www.blv-sport.de/index.php?id=377&tx_ttnews%5Btt_news%5D=3235&cHash=f85048c8e160168e9416f0bd13950c44
Laufreport: http://www.laufreport.de/bericht/0319/ingolstadt-deutsche-crossmeisterschaft.htm
KBUMM.de: Der Marek Kowalski hat viele Bilder geschossen: https://www.kbumm.de/bilder?id=12428