Anton Lautner: Der Blick nach vorne

Was treiben die Läufer, wenn Wettkämpfe abgesagt werden und ein gemeinsames Training verboten ist. Anton Lautners Kommentar zur gegenwärtigen Corona-Krise:

Anton Lautner: Der Blick nach vorne

Im Krisenmodus, darin steht mein Dienstherr schon eine ganze Weile, seit der Coronavirus das öffentliche Leben lähmt und durcheinanderbringt. Ja, jede Gemeinde, Stadt, Landkreis, jedes Land und auch der Bund sind verantwortlich für die Daseinsvorsorge, das die Aufgabe der öffentlichen Hand für die Bereitstellung der für uns notwendigen Güter und Dienstleistungen ist. Dazu gehören für ein menschliches Dasein Strom, Wasser, Gas, Müllabfuhr, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser, Bäder, Feuerwehr, ÖPNV und andere Dinge. Auf die eine oder andere Leistung könnten wir zwar eine gewisse Zeit verzichten, doch halten wir es länger aus, zum Beispiel keine Elektrizität oder keinen funktionierenden Rettungsdienst zu haben? Mitnichten.

Bei mir läuft es derzeit im Geschäft eingeschränkt ab. Ich bin Führungskraft in der Sozialhilfe, muss also zusammen mit meinem Team die Leistungsgewährung für die Menschen sicherstellen, bei denen das Einkommen, die Rente nicht ausreicht oder die aufgrund ihres Handicaps nicht mehr erwerbsfähig sind. Es ist vielleicht auch eine Schlüsselfunktion der öffentlichen Verwaltung. Denn wenn die Bedürftigen, sorry, ein blöder Ausdruck von mir, der Gesetzgeber spricht von Leistungsempfänger, der Begriff ist auch keinen Deut besser, denn wenn diesen das Geld fehlt, das sie benötigen, um sich zu unterhalten, ja dann wäre es um eine öffentliche Ordnung schlecht bestellt. Ganz rund läuft es trotz Corona nicht, zudem haben wir in diesem Tagen die sogenannte elektronische Akte eingeführt. Wir müssen uns daher an ein neues Programm mit noch unbekannten Handgriffen nebenbei gewöhnen, und das erfordert auch mehr Zeit.

Ja, ordentlich geht es im Läuferzirkus derzeit auch nicht zu, denn Corona bringt eine totale Unordnung hinein. Mein letzter Wettkampf ist bereits einen Monat her, bei dem ich mich bei den Oberbayerischen Crossmeisterschaften austoben durfte und in der Klasse eine Bronzemedaille mir erkämpfen konnte. Seitdem lebe ich läufertechnisch gesehen von der Substanz. Denn schon Anfang März war ein gescheites Intervalltraining beim Sportverein nicht mehr möglich, zuerst wurde das Heim und danach der Platz gesperrt. Ein-, zweimal kann ich noch mit wenigen Vereinsfreunden ein Läufchen mitmachen, dann erlässt vor gut einer Woche unser Ministerpräsident eine Allgemeinverfügung für eine vorläufige Ausgangsbeschränkung. Das Leben wird dadurch eingeschränkt, für den einen schwerer, der als Bewohner eines Altersheimes oder Kranker im Krankenhaus keinen Besuch mehr empfangen kann, der als Gastwirt seinen Betrieb schließen muss oder als Selbständiger drastisch sinkende Erlösen kompensieren muss. Manche haben trotz Regelung es leicht, die für das Verlassen der eigenen Wohnung triftige Gründe nachweisen zu können, wenn sie zur Arbeit müssen, medizinische Leistungen in Anspruch nehmen müssen oder zum Sport und Bewegung an der frischen Luft nach draußen wollen. Letzteres läuft allerdings nur alleine oder mit Angehörigen des eigenen Hausstandes. Ein Lauftreff ist dadurch auch nicht erlaubt. Zu der letzteren Gattung gehöre ich, einem Trainingslauf alleine steht nichts entgegen. Ja, die getroffenen Maßnahmen greifen in unsere Grundrechte ein, aber die neuen Regeln sind zeitich begrenzt, sie sind verhältnismäßig und zielführend. Und Ich denke, dass diese Einschränkungen bei einer Besserung der Lage auch wieder zeitlich schnell aufgehoben werden.

Ein wenig vorgeprescht ist unser MP bei seiner Verfügung für Bayern, aber ich denke, das hat er gut gemacht und schnell reagiert. Auch wenn es zwei Tage später zu einem Streit mit dem MP von NRW gekommen ist und bei dem unsere Bundeskanzlerin vermitteln musste. Einer wollte schon bei der Telefonkonferenz den Hörer auflegen. Soweit dürfte es aber bei diesen Diplomaten nicht kommen, noch dazu dass diese eigentlich immer diplomatisch agieren sollten. Aber es sind halt auch nur Menschen.

Wenigstens können wir noch alleine trainieren, auch wenn nicht nur mir das Gesellige fehlt. Ein Austausch zu Vereinsfreunden ist jetzt nur mehr über Telefon, Mail oder WhatsApp möglich. Das Vorbereitungstraining von rund 20 sportlichen Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung, das ich seit Herbst letzten Jahres angeboten habe, muss daher auch gecancelled werden. Wir wären nun schon im Abschlusstraining gewesen für deren ersten Halbmarathon in Ingolstadt. Diese Veranstaltung wurde vor ein paar Tagen abgesagt. Man hat immerhin einen Termin noch im September gefunden. Doch eine Laufserie im Großraum Ingolstadt wird heuer auch nicht durchgeführt, da die ersten drei Events dem Virus zum Opfer fallen. Darunter auch unser traditioneller Neuburger Frühjahrslauf am Karsamstag. Mir tut es leid auch für die Vereinsläufer und die vielen Gäste aus nah und fern, rund 500 Leute sind da alljährlich an die Donau gekommen, um sich auf den gut sieben Kilometer zu messen.

Bei mir wechselt der Trainingszustand langsam in einen „maladen“ Modus, besonders die Langstrecke leidet. Der letzte Marathon datiert vom Februar in Bad Füssing, der letzte 20er eine Woche danach bei den Wanderfreunden in Ingolstadt. Meinen Titel in spe von Klaus „du bist jetzt der Repräsentant für Österreich“ werde ich abgeben, denn die geplanten Läufe in Linz, Wien und Salzburg sind allesamt abgesagt, weitere Events, wo ich berichtet hätte, sind verschoben oder stehen auf der Kippe.

So bleibt mir halt nichts anderes übrig, als kleinere Brötchen zu backen. Ich trainiere nun für mich alleine häufiger, dafür kürzere Strecken, meist um meinen Wohnort Neuburg herum oder an meinem Dienstort Ingolstadt. Die Donauauen, die fast ein Naturschutzgebiet in Bayern geworden wären, der Baggersee oder die Parkanlagen in Ingolstadt bieten aber genug Auslauf. Irgendwie noch mit der Karre herumkutschieren an einen Ort X und dort planlos herumzurennen, dafür habe ich keinen Bock und erlaubt ist es, meine ich, auch nicht. So mache ich mich halt immer wieder, mit Kamera bewaffnet, auf die Socken und fotografiere Landschaft, Blumen und was mir halt noch vor die Linse kommt. Dann geht wenigstens diese Fähigkeit nicht vor die Hunde.

Längere Läufe, da muss ich mir dann noch etwas überlegen für die nächsten Wochen, denn beim letzten längeren Lauf über rund 16 Kilometer ging es zum Schluss recht „zach“ heim und die Beinmuskulatur hat noch einige Zeit gemault.

So wie Corona den Läuferzirkus durcheinander gewirbelt hat, so haben es die Kommunalwahlen in Ingolstadt. Der amtierende Oberbürgermeister wurde von den Wählern abgewatscht, die CSU hat den Posten nach 48 Jahren (!) an die Roten verloren. Der Wechsel war sogar der Tagesschau eine Notiz wert. Die Gründe dafür will ich hier nicht mehr nennen, die Bayern haben das in den letzten Monaten immer wieder in der Presse lesen können, der Wähler war nicht mehr zufrieden und wollte einen Wechsel. Es kommt nun der leitende Stadtdirektor Christian Scharpf von München, der unter den OBs Christian Ude und Dieter Reiter gedient hat. Ich bin positiv eingestellt, dass er hier in der Schanz etwas bewegen kann. Aber die Zukunft und die fordernden Aufgaben werden viel Arbeit machen.

Ich muss nun auch in den nächsten Wochen, vielleicht schon Ostern, längere Läufchen machen. Vielleicht wird es etwas mit einem Laufkollegen aus Bergheim, der immer zur Jahreswende einen Marathon organisiert. Interesse hat er, nur wir müssen uns halt irgendwie absprechen, denn miteinander laufen ist verboten. Jeder startet an seinem Heimatort und man könnte sich auf dem Kurs zwischen Neuburg und Ingolstadt ja zweimal begegnen, wenn einer im Uhrzeigersinn und der andere entgegen der Uhr läuft. Oder ich laufe eine Runde auf dem Urdonautalsteig, ein zertifizierter Wanderweg zwischen Dollnstein, wo alljährlich der Altmühltrail stattfindet, dem Urdonautal und der jetzigen Donau. Die eine Schleife hat auch schätzungsweise gut 40 Kilometer. Oder ich laufe mehrere Runden um den Ingolstädter Baggersee, bei dem eine Umrundung 5,3 Kilometer lang ist. Vier Runden wäre ein Halbmarathon. Vielleicht wollen meine Kolleginnen und Kollegen der Stadtverwaltung einen Halbmarathon im Frühjahr ohne Zeitmessung auf privater Basis und als Training probieren. Mal schauen.

Mein Rat: Haltet euch an die Regeln, bleibt auf Abstand, meidet den Kontakt und nehmt euch die Zeit für den Sport alleine. Blickt nach vorne und nicht in die Vergangenheit. Es muss ja nicht gleich ein Marathon auf dem eigenen Grundstück oder auf dem eigenen Balkon sein. Wer den vorgeschriebenen Abstand nicht einschätzen kann, dafür eine Weisheit: „Riechst du von andern einen Furz, war der Abstand wohl zu kurz!“ Wir sehen uns auf der Laufbahn, wo immer und wann immer es wieder sein wird. Bleibt gesund und haltet die Ohren steif.

Weitere Kommentare zur Coroma-Krise von Laufreportern bei marathon4you.de gibt es hier: https://www.marathon4you.de/laufberichte/sport/keine-laufevents-keine-aktuellen-laufberichte/4017