Ostermarathon in der Region – Laufen unter Corona (Bericht von A. Lautner)

Letztes Jahr hatte Jürgen aus Bergheim die Idee, einen Ostermarathon in der Region zu organisieren. Frühzeitig plane ich, auch in diesem zweiten corona-geplagten Jahr einen Ostermarathon aus dem Training heraus zu laufen. Mein Trainingsumfang bezüglich langer Einheiten war suboptimal: Letzter Marathon (als Training) auf fast gleicher Strecke um den großen Donauring Neuburg/Ingolstadt im Dezember, seither viele kurze, auch schnelle virtuelle Einheiten, nur zwei, drei längere Laufeinheiten bis zur Halbdistanz. Und was es mit der Überschrift auf sich hat, das erzähle ich auch noch.
Von Jürgen höre ich längere Zeit nichts, aber dann schließt sich zuerst Petra und dann auch Stefan an. Jürgen macht das Tages abhängig, er könnte noch in der Karwoche die erste Corona-Impfung erhalten. Diese wird dann abgesagt und er sagt mir mit einigen jugendlichen Fußballern zu, die allerdings nur die Hälfte wie im Dezember laufen wollen. Unsere privat auferlegten Regeln sind die gleichen, die derzeit gelten. Also kein Massenauflauf, Abstand halten, Verpflegungskauf in Geschäften nur mit FFP2-Maske und dergleichen. Dieses ist möglich bei einem kleinen Einzelhändler in Weichering und einem Supermarkt in Hundszell. Karl, ein Laufkollege aus Großmehring, wird uns noch am Baggersee in Ingolstadt supporten und Stefan hat an der Staustufe Bergheim Wasser und Cola versteckt. Außerdem hat Jürgen bei seiner Schwiegermutter in Weichering wieder Getränke, Obst und Riegel hinterlegt. Ich empfehle noch, Getränke als Notvorrat mitzunehmen, dazu ein paar Riegel, dann dürfte von der Seite alles sicher sein.
Jürgen startet mit seinen Fußballjungen bereits um 08.00 Uhr und klingelt bereits früher an meiner Haustüre, als ich gedacht habe. Die sind in Kleingruppen die 4,5 Kilometer aus Bergheim in weniger als 30 Minuten her gerannt. Sie bekommen von mir warmen Tee, Wasser und ein paar Schokoriegel als erste Verpflegung. Nach wenigen Minuten machen sich Jürgen, Elias, Manuel, Andreas und Yannick auf den Weiterweg. Jürgen will mit seinem Anhang noch in Neuburg in einer der Tankstellen einkehren.
Kurz vor 09.00 Uhr erscheint Petra und gleich danach auch Stefan, den seine Frau abliefert. Nach kurzer Einweisung in Laufstrecke und -regeln starten wir um 09.02 Uhr fast pünktlich. Die Stoppuhr bzw. Lauf-App wird ausgelöst. Auf geht’s. Nach zwei Minuten verlassen wir Joshofen, ein Marterl an der rechten Seite erinnert an das Fährunglück vom 17.08.1945. Damals kenterte eine Fähre, die mit einem Ochsengespann und mehreren Personen beladen war. Zwei Personen und die beiden noch an der Deichsel geketteten Ochsen ertranken. Wir tauchen in den Wald ein, in den Senken wächst der Bärlauch in Massen. Den könnte man fast mit der Sense ernten. Nach knapp drei Kilometer erreichen wir die Große Grotte unterhalb des Arco-Schlösschens. Eigentlich ist dort der Weg gesperrt, da der Fels oberhalb der Grotte brüchig sein soll. Wann und wie es mit den Sicherungsarbeiten weiter gehen soll, ist mir nicht bekannt. Die Absperrbaken sind meist auf die Seite gestellt oder ins Unterholz geworfen. Soviel ich weiß, ist eine Benutzung des Weges auf eigene Verantwortung jedoch möglich.
Wir verlassen den Auwald und nach einigen Metern stehen wir an der Kreuzung der Ingolstädter und Monheimer Straße. Wir biegen links ab auf die Elisenbrücke. Vor uns sehen wir das Schloss Neuburg, das im 16. Jahrhundert aus einer früheren Burg zu einem Renaissance-Schloss umgebaut wurde. Pfalzgraf Ottheinrich hat 1522 die Herrschaft hier angetreten und die Umgestaltung seines Sitzes einige Jahre später veranlasst. Ich muss meine Mitläufer einbremsen, damit ich noch auf dem Donaukai etwas Bildmaterial sammeln kann, merke aber dann, dass wir relativ schnell unterwegs sind. Etwa 6 Minuten pro Kilometer.
Neuburg ist der westliche Eckpunkt des Kurses, wir werden nun nach Osten hin laufen, rund 20 Kilometer bis Ingolstadt. Rund fünf Kilometer führt jetzt der Kurs auf dem Radweg an der Grünauer Straße. Wir vergrößern unsere bisherigen Abstände, sicherheitshalber. Nicht dass jemand auf krumme Gedanken kommt und wo anruft. Gedanklich und auch in der Realität erreichen wir schnell den Grünauer Kreisel. Die Kilometer fliegen dahin. „Kilometer 9“, meint Stefan, „gleich haben wir ein Viertel der Marathondistanz.“
Ein paar Minuten später stehen wir vor dem Jagdschloss Grünau, das sieben Kilometer westlich von Neuburg liegt. Dieses Schloss hat ebenfalls Ottheinrich erbauen lassen, für seine Ehefrau Susanna von Bayern, ursprünglich als Wasserschloss. Daran erinnern die mittlerweile verlandeten Gräben und Wälle ringsherum. Es befindet sich im Besitz der Wittelsbacher, leider ist es nicht zu besichtigen. Man könnte höchstens das Auenzentrum anschauen.
Durch eine wunderschöne Allee erreichen wir fünf Minuten später Rohrenfeld. Bekannt ist der Neuburger Weiler für den Golfplatz, den wir nur tangieren, liegt er doch westlich der Ansiedelung. Links im Ort an unserer Laufstrecke liegt die 1827 erbaute Gestütskapelle, die dem „Heiligen Abendmahl“ geweiht wurde. Leider ist diese immer zugesperrt. Gerne hätte ich bei meinen Exkursionen da hineingeschaut.
Nur ein paar Minuten entfernt liegt Maxweiler. Der heute auch zu Neuburg gehörende Stadtteil wurde erstmals 1810 als Maxdorf erwähnt. Ganz zu Beginn der Gründung des Ortes wanderten viele Mennoniten in die Vereinigten Staaten und nach Ungarn aus. Wir verlassen Maxweiler am Bahnübergang und haben nur um wenigen Augenblicke Glück. Ein wenig später wären wir vor den gesenkten Bahnschranken gestanden. So gibt es halt keine Zugzwangspause.
90 Minuten sind wir unterwegs, dann laufen wir an Weicherings Kirche St. Vitus vorbei. Der Kirchturm betont das Ortsbild und ist schon von weitem zu sehen. Am Haupteingang stehen die beiden Bäume voll in der Blüte. Großartig lange Zeit, das Motiv fotografisch auszuwählen, habe ich nicht, denn Petra und Stefan springen weiter. Ich muss den Abstand verringern, damit ich sie zur ersten Tankstelle bei Jürgens Schwiegermutter lotsen kann.
Dort gibt es die erste kurze Rast. Wasser, warmer Kaffee, Bananen, Schokoeier und Richtige, Riegel. Das reicht völlig. Gudrun, Jürgens bessere Hälfte und seine Schwiegermutter stehen in der Hofeinfahrt, die Fußballjungs ein paar Meter daneben. Die haben ihren Halbmarathon beendet und sind für ihre Distanz noch ein paar Meter in Richtung des Bauhofs gelaufen und haben dann umgedreht. „2.25 Stunden für 22,7 Kilometer“ wird mir berichtet. Auf meine Frage, dass das für Jürgen sehr sportlich war, beantworten die Jungs mit einem Grinsen bis hinter die Ohren. „Vor zehn Minuten ist Jürgen weitergelaufen“, wird berichtet. Nach knapp zehn Minuten brechen wir wieder auf. Knapp 16 Kilometer liegen hinter uns.
Die folgenden fünf Kilometer verlaufen wunderschön durch den Auwald, zuerst noch auf geteerten Untergrund, später auf einem gut belaufbaren Radweg. Bei der Jackl-Brenne, ein kleines Biotop, müsste ich mal den Kurs nach rechts verlassen. Ich sehe nämlich ein paar Meter neben der ehemaligen Bahntrasse ein Infoschild. Ein kleinere Tanne erregt später unser Interesse, ist diese doch mit Ostereiern geschmückt. Und dann laufen wir auf Jürgen auf. Er wird bei der Freien Tankstelle Weigl sich versorgen und noch ein paar Meter mehr laufen als wir.
Am Wasserwerk Buschletten verlassen wir den Radweg nach rechts in die Roßlettenstraße, die Hälfte der Strecke liegt nun hinter uns. Die Einsamkeit endet, da nun mehr Spaziergänger und Jogger zu sehen sind. Die Rastmöglichkeit beim Pennymarkt schenken wir uns, bei den lauffreundlichen Temperaturen brauchen wir noch keinen Getränkenachschub.
Auf der Haunwöhrer Straße führt uns der Kurs weiter in Richtung Stadtmitte bis zur Gemmingerstraße, dort biegen wir links ab. Am Ende des Straßenzugs fällt mir siedend heiß ein, mich bei Karl telefonisch zu melden und unseren Standort durchzugeben, damit er zum vereinbarten Versorgungspunkt fahren kann. Das hatte ich fast vergessen. Durch meine Schusseligkeit und beim Bedienen des Handy bemerke ich nicht, dass Petra und Stefan auf dem Baggerweg Richtung Innenstadt laufen. Wo, zum Teufel, wollen die denn hin? Wir müssen doch zur Staustufe. Ich pfeife beide zurück.
Auf der 1971 errichteten Staustufe muss ich als Beweissicherungszweck wieder ein Foto machen. Das ist Jürgens Regel, dass die Strecke gelaufen wurde. Ursprünglich hatte er festgeschrieben, dass Kassenbelege als Nachweis am Ziel vorgelegt werden müssen. Heute reichen Bilder oder Screens der LaufApp. Am Ende der 1971 erbauten Staustufe geht es nun Richtung Westen. Es geht heimwärts.
Für knapp zwei Kilometer wechseln wir an den Rundwanderweg am Baggersee, der im Rahmen der Hochwasserfreilegung und des Baues der Staustufen an der Donau errichtet wurde. Der Uferweg hat eine Länge von 5,3 Kilometer und ist bei den Ingolstädtern sehr beliebt. Auch heute sind viele Fußgänger und Läufer unterwegs. Für einen Halbmarathon müsste man vier Runden drehen, bei einem Marathon …, ich verwerfe den Gedanken, obwohl, eine Vereinsfreundin, dessen Name ich jetzt nicht nenne, hatte sich da auf ihre Marathonpremiere vorbereitet, mit acht Runden!
Am Einlauf des Vorfluters wartet beim Kneippbecken Karl mit seiner Kühltasche und fragt gleich nach den Wünschen. Nun ein Bier mit Alk, das bietet er mir an, das wäre jetzt nicht schlecht, doch nachdem wir schnell unterwegs sind, begnüge ich mich mit einem Alkoholfreien. Auf dem Bild sehe ich schon, der Meister mit Bier, und das Volk begnügt sich mit Wasser! Karl berichte ich, dass Petra nun immer vor uns her läuft. „Wie bei den Türken“, meint er, „denn wenn die spazieren gehen, geht der Ehemann immer vorneweg und Frau und Kinder im gehörenden Abstand hinten nach.“ So ist es bei uns auch. Nach fünf Minuten traben wir wieder an, 29 Kilometer haben wir hinter uns. Es folgen nun rund neun Kilometer entlang der Donau, Natur pur.
Rund zwei Kilometer laufen wir nun auf dem Unterhaltsweg parallel zum Damm. Den ganzen Tag prägenden Nord-, bzw. Nordwestwind spüren wir hier im Schutz des Auwaldes nicht. Das „Verkehrsaufkommen“ von Wanderer und Jogger geht wieder gen Null. Am Überlauf müssen wir auf einem Trampelpfad kurz auf dem Damm und auf der anderen Seite wieder hinunter, dann befinden wir uns auf dem Uferweg. Auch dieser ist für unsere Aktivität gut ausgebaut. Ein Marterl erinnert an einen Edenharter, der 1928 mit einer Zille von einer Fahnenweihe in Weichering kam und als Nichtschwimmer in die Donau stürzte. Seine Leichnam wurde erst in Passau geborgen. Später sehe ich eine Hochwassermarkierung und den Abzweig zum Schafirrsee bei Gerolfing. Es läuft gut, ich glaube, wir sind nicht langsamer geworden.
Kilometer 37, die Staustufe Bergheim ist längst zu sehen, wir verlassen den Wald, Stefan geht nach vorne und muss Petra einbremsen. Er holt hinter einem Baum eine Tüte mit den versteckten Getränken. Wasser oder Cola stehen im Angebot. Wir vernichten zwei Flaschen der schwarzen zuckerhaltigen Brause und machen uns nach einigen Minuten rülpsend auf den weiteren Weg, der uns zuerst auf dem Radweg an der Staatsstraße führt. Diese überqueren wir und laufen zur Förchenau und durch Bergheim. Noch vier Kilometer.
Der Schulzweiher, Stefan voraus, noch weiter vorne Petra, die ist nicht mehr fünf, sondern jetzt mindestens zehn Schritte voran. Wie beim Spaziergang von Türken, nur umgedreht zwischen Männlein und Weiblein. Beide sind gut trainiert, besser als ich. Noch zwei Kilometer. Stefan murmelt „es geht unter vier Stunden“, wobei er die Pausen herausgestoppt hat. Flott sind wir drei unterwegs. Der letzte Kilometer wird cross, das habe ich beiden frühzeitig mitgeteilt. Und in der Tat, durch den Krautgarten führt ein rustikaler Grasweg, ideal zum Fußvertreten. Ich habe alle Mühe, spätestens als Joshofen zu sehen ist, dass ich noch einigermaßen Anschluss halten kann. Die Marathondistanz ist deutlich vor dem Ortsschild gelaufen, dann sprinten die beiden und ein Verrückter (ich) die letzten paar Hundert Meter zum imaginären Ziel. Geschafft.
„4.01 Stunden, hochzufrieden, Nettozeit“, sagt Stefan. Bei mir waren es 4.31.40 Stunden mit Pausen, die beiden hatten 20 Sekunden Vorsprung. So schnell war ich bisher auf unserer Marathonstrecke in der Region auch noch nicht. Mit der (Brutto-)Zeit hätte ich auch nicht gerechnet.
Am Zaun verpflegen wir mit warmen Tee und einem kühlen Bier. „Das können wir wieder machen“ sagt Petra, ihr hat es gefallen. Ja, weitere Strecken habe ich schon im Kopf, man bräuchte eigentlich nur die Laufrichtung drehen, dann schaut es schon anders aus. Oder die Südschleife des Urdonautalsteigs, die ich letztes Jahr gelaufen bin. Am Nachmittag, ich sitze gerade am Kaffeetisch mit Cappuccino und Kuchen, erhalten ich von Jürgen eine Nachricht. Auch er ist gut heimgekommen und bereut es nicht, doch mitgelaufen zu sein. Ein Blick auf die Kilometersplitts der Uhr zeigt mir etwas unverständliches: Der letzte Kilometer beim Marathon in der Region war der schnellste. Verrückt! Auf eine neue Umrundung der Donau zwischen Neuburg und Ingolstadt.